Tag Glück

#Er.Lebe Südafrikas Kapstadt Teil II


SÜDAFRIKA 

VON STRASSEN UND  
TOWNSHIPS 

Glück

 

Der STRASSENVERKEHR

Bezugnehmend auf unsere Erfahrungen im Straßenverkehr müssen wir noch folgende Ergänzungen vornehmen:

Grundsätzlich ist es immer wichtig die Türen im Auto verschlossen zu halten. Dazu eine kurze Anekdote vom Abholen unseres Mietwagens: Auf meine Nachfrage, was beim Autofahren in Südafrika wichtig sei und das ich gehört hätte, dass wir an Ampeln auf jeden Fall die Fenster und Türen verschließen sollten antwortete der nette Herr von „Bidvest Cars“: „No, listen; as soon as you are IN the car – you LOCK the car!!“

Okay, das klingt ja beruhigend… 😉

Gerade im Auto angekommen passiert uns der Klassiker: Statt dem Blinker betätigen wir den Scheibenwischer – gleich mehrere Male – aber das wird nicht das letzte Mal auf unserem Trip sein 😉 Typischer Anfängerfehler, der uns immer wieder zum Lachen bringt.

Straßenverkäufer

Naja, zurück zu meinem eigentlichen Hinweis.  Vor allem an großen Kreuzungen spielt sich immer wieder das Gleiche ab. Sobald die Ampel auf rot springt (übrigens ohne irgendeine farbige Zwischenphase) kommen augenblicklich „fliegende Händler“ auf die stehenden Autos zu und bieten ihre Waren an. Diese reichen über Früchte, Blumen, Zeitungen oder auch Elektroartikeln bis hin zu „Kunst“.

Wobei die Auswahl der angebotenen Produkte sogar teilweise ganz clever und zweckbezogen ist. So wurden uns mehrfach Handy-Ladekabel für das Auto angeboten.Gar nicht so doof und unter Umständen ein dringend benötigter Gegenstand, wenn man auf Reisen ist.

Toyota Corolla

Eine Sache ist besonders mir aufgefallen, da jedes zweite Auto ein alter Toyota Corolla ist – mein erstes Auto, das ich mir mit 18 Jahren von meinem eigenen Geld gekauft habe. Es scheint, als habe man weltweit alle Autos dieses Types nach Afrika geschifft, da ich dieses Auto in den letzten 10 Jahren kein einziges Mal mehr in Deutschland gesehen habe… Es war schön, mal wieder an diese Zeit erinnert zu werden 🙂

Auf unserer Fahrt zur „Garden Route“ lernen wir schnell, dass „Local-Verhalten“ der Einwohner und tuen unser bestes nicht als Touri aufzufallen.

Fahrbahnmarkierungen fungieren hier sowieso nur als ungefähre Richtwerte, sowie Fußgängerampeln nur ein Vorschlag zum Zeitpunkt der Überquerung der Straße sind.

Außerorts ist es auffällig, dass sehr viel Rücksicht aufeinander genommen wird, auch wenn die Fahrbahn einspurig ist. Es gibt weder drängeln, noch Gehupe, sondern das vordere Auto fährt einfach auf dem Seitenstreifen weiter. Zum Dank wird nach dem Passieren der Warnblinker betätigt, woraufhin der zur Seite gefahrene Lichthupe als „gern geschehen“ gibt. Keinem tut es weh und der Verkehr kann ungestört fließen.

Komischerweise kommt eine Art Glücksgefühl auf – zumindest bei mir – auch wenn es nur um einen Überholvorgang geht. Mit Spannung habe ich immer auf die Lichthupe nach meinem Warnblinker gewartet. Das ist mit Sicherheit schwer nachvollziehbar, aber wenn man mitmacht, und eine Lichthupe bekommt, dann fühlt man sich ein Stück heimisch bzw. local. Es verbindet einen auf eigenartige Weise mit den Unbekannten Gleichgesinnten auf einer langen Autofahrt.

Ein weiteres Phänomen sind die Personen, die sich wie selbstverständlich zu Fuß über die Autobahn fort bewegen. Zu bestimmten Stoßzeiten muss man wirklich auf der Hut sein, da sich ganze Völkerscharen auf diese Art zurück zu ihren Townships bewegen.

TOWNSHIPS

Townships, ein gutes Stichwort.

Natürlich gehören sie zu Kapstadt, wie das Colosseum zu Rom. Immerhin leben dort gut die Hälfte der Einwohner Kapstadts.

Im Großraum Kapstadt, der „Mother City“ wie sie oft genannt wird, leben ca. 3,2 Mio. Menschen. Genau ist dies nicht zu ermitteln, da die Dunkelziffer, der in den Townships lebenden Menschen sehr hoch ist.

Grundsätzlich sieht die Einwohnerverteilung folgendermaßen aus:

  • 1,5 Mio. „Coloureds“ (Mischlinge)
  • 1,1 Mio. Schwarze
  • 0,6 Mio. Weiße

Die Millionen von Menschen, die in ganz Afrika innerhalb der Townships leben, haben kaum eine Chance dort zu entkommen. Die Entwicklungsmöglichkeiten sind begrenzt, genauso wie die schulische und berufliche Ausbildung.

Die Wohnsituation könnte kaum schlimmer sein. Winzige Blech- und/oder Holzhütten auf engstem Raum. Dieser Wohnraum wird zu allem Übel auch noch mit unzähligen Tieren geteilt. Nicht nur dadurch, sondern auch durch die oft fehlenden Sanitäranlagen kommt ein unglaublicher Gestank zustande.

Die Kriminalität ist hoch und die Unterstützung durch den Staat kaum gegeben.

TownshipDa der Bevölkerungszuwachs in den letzten Jahren schneller von statten ging, als die Stadt eine Infrastruktur aufbauen konnte, leben viele Menschen auf engstem Raum. Die Stadtverwaltung arbeitet zwar mit Hochdruck daran genügend Wohnraum in den Townships zur Verfügung zu stellen, allerdings wartet man aktuell im Schnitt 10 Jahre auf ein einfaches „Haus“. Wie zu vermuten ist, sind ca. 90% der Bewohner Schwarze.

Eigentlich hatten wir uns aus Prinzip gegen eine Tour in die Townships von Kapstadt entschieden, da wir bereits in der dominikanischen Republik einem Ausflug namens „Land und Leute“ in die örtlichen Armutsviertel gemacht haben.

Schon damals kamen wir uns vor wie im Zoo und empfanden es einfach als falsch, anmaßend und wenig förderlich in das Privatleben dieser Menschen einzudringen, um am besten noch Fotos von deren Schicksal und Armut zu schießen.

Warum? Nur um sich danach darüber bewusst zu sein, wie gut es einem selbst geht? Aber auf wessen Kosten?…

Auch wenn diese Menschen mit Sicherheit einen kleinen Obolus dafür erhalten, so kann dies doch mit Sicherheit nicht die Scham und den verletzten Stolz wettmachen, die sie bei den Touristenbesuchen durch ihr „Wohnzimmer“ und ihre Privatsphäre empfinden müssen…

Oder denken wir da zu sehr „deutsch“ bzw. daran, wie es uns dabei gehen würde?!? Vielleicht ist es für die Bewohner auch vollkommen in Ordnung, weil sie es nicht anders kennen…

Zwei Mädels, mit denen wir uns im „B.I.G. Backpackers“ (kann über Booking gebucht werden) in Green Point das Zimmer teilten, hatten jene Township Tour unternommen.

Wenn gleich sie mit gemischten Gefühlen heim kamen, so empfanden sie es doch als eine Bereicherung.

Außerhalb des Stadtzentrums gibt es sieben offizielle Townships oder auch „Cape Flats“, sowie unzählige informelle Siedlungen.

Unsere Mitbewohner haben das zweitgrößte Township Südafrikas „Khayelitsha“ besucht, das sage und schreibe 300.000 Einwohner hat!! Das ist unvorstellbar, vor allem wenn man den vergleichsweise kleinen Raum und die katastrophalen Lebensumstände betrachtet. Dennoch gibt es noch Unterschiede in der Ausstattung. Es gibt einfache Häuser mit Wasseranschluss und Strom, aber eben überwiegend Blechhütten und Bretterverschläge ohne fließendes Wasser.

Imizamo Yethu

Als besonders deprimierend würde ich es empfinden, dass sich die Townships grundsätzlich an Autobahnen und stark befahrenen Straßen befinden und durch einen Zaun von der „anderen Welt“ getrennt sind. Es muss doch frustrierend sein, aus seiner 2-6 qm großen Blech- oder Holzhütte direkt auf die benachbarten Luxusvillen zu schauen und somit tagtäglich an die eigene – vergleichsweise schlechtere – Wohnsituation erinnert zu werden.

Genau so frage ich mich, wie die Bewohner der angrenzenden Luxusapartments und -Villen Tag für Tag damit leben können, die Armut direkt vor der eigenen Haustür zu haben.

Imizama Yethu 2Hier wird uns mit Brutalität vor Augen geführt, dass die Welt nicht gerecht ist und sich keiner aussuchen kann, wo er geboren wird.

Südafrika hat weltweit die größten sozialen Unterschiede, was sich vielerorts deutlich bemerkbar macht.

Fährt man in den Nobel Ort und Surfer-Mekka „Hout Bay“, so passiert man unweit vom Ortseingang das Armenviertel „Imizamo Yethu“, wo ca. 180.000 Menschen wohnen. Übersetzt heißt das „through our collective efforts“, also „mit vereinten Kräften“, was die Lebenseinstellung der dort lebenden wiederspiegelt. Sie akzeptieren die Umstände, machen das Beste daraus und unterstützen sich gegenseitig, in der Hoffnung auf Besserung.

 

VON  
BESITZ UND 
GLÜCK 

 

Das Paradoxe daran ist allerdings, dass die armen Menschen oft viel reicher sind als wir. Reicher an Glücksgefühl, Zufriedenheit, Dankbarkeit und Ausgeglichenheit. Das finde ich bewundernswert in einer Zeit, wo wir vermeintlich reichen Staaten uns mit Dingen wie der Modeerscheinung „Burn-Out“, „Geiz ist geil“ etc. rum schlagen und denken, dass das Schicksal es besonders hart mit uns gemeint hat.

Hier möchte ich eine kleinen Schwenk zu einer kürzlichen Begegnung machen. Ein Besuch bei meiner 93-jährigen Oma kurz vor meiner Abreise. Wir haben viel über die Geschichte, ihre Vergangenheit und den Krieg, den sie nunmal selbst mit erlebt hat, gesprochen.

Eine Sache aus diesen Gesprächen hat sich mir nachhaltig ins Gedächtnis eingebrannt. Selbst in den härtesten Zeiten des Krieges oder der Nachkriegszeit kamen meiner Oma die Menschen glücklicher und zufriedener vor als heutzutage, wo ehrlicherweise, zumindest in Deutschland, fast alle im Überfluss leben. Jammern auf ganz hohem Niveau und chronische Unzufriedenheit prägend den deutschen Alltag.

Ist es eine Generationenfrage?

Je mehr man besitzt, desto mehr macht man sich Sorgen um diesen Besitz.

Sorgen, wie man diesen Standard und die Annehmlichkeiten beibehalten kann.

Sorgen, dass einem jemand um diesen Wohlstand berauben könnte.

Letztlich ist es seelischer Ballast und wer nicht viel hat, der hat auch nicht viel zu verlieren, zumindest wenn es um materielle Dinge geht.

Und keiner, außer vielleicht die ehemaligen Könige und Kaiser großer Reiche, deren Grabstätten wahren Palästen gleichen, kann etwas mitnehmen, wenn er eines Tages zur vorbestimmten Zeit gehen muss.

Warum also horten wir ein Leben lang Dinge, die wir gar nicht brauchen und uns gar belasten?!?

Aktuell wird uns durch die Flüchtlingskrise sowieso vor Augen geführt, wie vergänglich alles ist und dass man in einer Notsituation nur die notwendigsten Dinge mitnehmen kann. Natürlich müssen wir uns deshalb nicht auf ein Minimum beschränken und auf dem Boden schlafen. Ich finde es aber einen guten Anlass sich mal wieder über die Grundsätzlichkeiten im Leben Gedanken zu machen und zu schätzen zu wissen, wie gut es uns doch geht.

Eines der Motive dieser Reise war u.a. aus dem ständigen Kreislauf auszubrechen und sich mal wieder auf die Dinge zu besinnen, die im Leben wirklich zählen und darauf, was man wirklich braucht, um ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.

Ich spreche von dem ständig andauernden Kreislauf, eigentlich einem Teufelskreis: Sozusagen als „Entschädigung“ für unser vieles Arbeiten und die wenige Freizeit kaufen wir uns immer mehr schöne Dinge, an denen wir eine Zeit lang Freude haben und fahren z.B. in teure Urlaube. Darauf freuen wir uns das ganze Jahr und sparen auf dieses Ereignis hin. Um uns diese Dinge leisten zu können und den erlangten Standard beizubehalten, müssen wir allerdings wieder hart arbeiten. Und so geht es immer hin und her.

Das Privatleben und die sogenannte „Work-Life-Balance“ bleibt immer mehr auf der Strecke. Es liegt jedoch komplett an uns selbst diesen Kreislauf zu durchbrechen und vermeintliche „Sicherheiten“ aufzugeben. Wie sagt man so schön: „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!“

Einen Neuanfang zu starten kann sehr befreiend sein, ist aber mit Sicherheit mit viel Mut verbunden und vor allem der Bereitschaft zur Veränderung. Und damit tuen sich Menschen bekanntlich von Natur aus sehr schwer.

Ich kann euch nur ermutigen: „Verändere nicht dein Leben – Lebe deine Veränderung / dein Ändern!“. Lasse zu, dass sich Dinge, so wie du selbst, ändern und gib nichts darauf was andere davon denken. Sie sind vielleicht noch nicht bereit dazu oder einfach zu eingefahren in ihrer Komfortzone. Es gibt soviel zu lernen, vor allem über sich selbst. Wer aus meiner Sicht aufhört Dinge lernen zu wollen, egal in welchem Alter, der wartet nur noch auf den Tod. Denn was erfüllt einen Menschen mehr als geistige Entwicklung?

Heutzutage haben wir verlernt und lassen es kaum noch zu, auf unser Bauchgefühl, unsere Intention zu hören. Wir lassen unserem Kopf meist den Vorrang, und treffen dadurch Entscheidungen, die für uns nicht ideal sind, jedoch „vernünftig“ erscheinen. Meist verdrängen wir dadurch auch unsere tiefsten Bedürfnisse. Warum eigentlich?

Nur um sich an zu passen, das Naheliegende zu tun und niemanden vor den Kopf zu stoßen? Aber wo bleibt da die Möglichkeit auf freie Entfaltung und die Chance nicht als einer von vielen einfach nur mit dem Strom zu schwimmen?

Eure Angelika